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auf den Seekrieg durch die Zusazartikel von 1868 die Billigung der Mächte nicht gefunden hatte. Allerdings haben die einzelnen Staaten mehrfach (so Deutschland und Frankreich im Kriege 1870/71, Spanien und die Vereinigten Staaten von Nordamerika im Kriege 1898) die Gültigkeit der Bestimmungen von 1868 für die Dauer eines bestimmten Krieges anerkannt.

Die Haager Konvention schafft in dieser Beziehung nunmehr für die Signatarmächte gleiches Recht im Seekriege, wie solches für den Landkrieg bereits seit 1864 gilt1).

Grundsaß ist, daß die bisher ohne weiteres der Wegnahme durch den Gegner unterliegenden Lazarettschiffe in Zukunft nicht mehr weggenommen werden dürfen 2).

Unter den Lazarettschiffen unterscheidet die Konvention drei Arten: 1. militärische Lazarettschiffe der Kriegsparteien 3), 2. von Privatpersonen oder Privatgesellschaften der kriegführenden Staaten ausgerüstete Lazarettschiffe 4), 3. von Privatpersonen oder Privatgesellschaften neutraler Staaten ausgerüstete Lazarettschiffe 5).

Sämtliche Lazarettschiffe sind vor ihrer Verwendung den Kriegsparteien mit Namen bekannt zu machen. Schiffe der oben zu 2. und 3. bezeichneten Art bedürfen überdies einer entsprechenden amtlichen Bescheinigung 6).

Die Schiffe haben allen Verwundeten, Kranken und Schiffbrüchigen ohne Unterschied der Nation Hilfe zu gewähren. Sie dürfen zu militärischen Zwecken nicht benußt werden und die Bewegungen der Kriegsschiffe nicht hindern. Zu diesem Zwecke können die Kriegsparteien ihnen befehlen, sich zu ent

1) An dem Zustandekommen dieser Konvention ist der deutsche Delegierte, Kapitän zur See Siegel, besonders aber der Pariser Professor Renault in hervorragender Weise beteiligt gewesen.

2) Konvention für den Seekrieg, Art. 1ff.; s. auch Ph. Zorn, Im neuen Reich, 329 ff.

3) Art. 1.

4) Art. 2.

5) Art. 3.

6) Art. 1-3.

fernen, oder ihnen eine bestimmte Fahrtrichtung vorschreiben; auch können sie ihre Hilfe ganz ablehnen 1).

Den Kriegsparteien steht ein Aufsichts- und Durchsuchungsrecht über Lazarettschiffe zu 2).

Militärische Lazarettschiffe erhalten als Kennzeichen einen weißen Anstrich mit einem wagerechten grünen Streifen, private Lazarettschiffe einen solchen mit einem entsprechenden roten Streifen. Außerdem haben sie neben der Nationalflagge die Flagge der Genfer Konvention zu führen 3).

Kleinere Lazarettfahrzeuge und Boote müssen ebenfalls durch ihren Anstrich kenntlich sein.

Nicht zu den Lazarettschiffen gehörige Privatschiffe, welche Kranke, Verwundete oder Schiffbrüchige der Kriegsparteien an Bord haben, dürfen aus diesem Grunde, abgesehen von etwaigen Neutralitätsverleßungen, nicht weggenommen werden 4).

Das geistliche, ärztliche und Lazarettpersonal weggenommer Schiffe unterliegt der Kriegsgefangenschaft nicht; beim Verlassen des Schiffes darf es ihm gehörende chirurgische Instrumente und sonstiges Privateigentum mitnehmen. Es soll jedoch so lange, als notwendig, Hilfe leisten und sich erst dann zurückziehen, wenn solche nicht mehr nötig ist 5).

Schiffbrüchige, Kranke oder Verwundete einer Kriegspartei, die in die Hände der andern fallen, sind Kriegsgefangene. Es bleibt dem Gegner überlassen, sie festzuhalten oder nach einem seiner Häfen, nach einem neutralen Hafen oder selbst nach einem Hafen ihres Staates zu befördern. Im leßten Falle dürfen die hierdurch freigewordenen Mannschaften während des Krieges nicht mehr dienen ").

1) Art. 4.

2) Ebenda.

3) Art. 5.

*) Art. 6. 5) Art. 7. 6) Art. 9.

B. Die Blockade.

Die Blockade ist ihrer Natur nach als Kriegsmittel nur im Seekriege anwendbar.

Die Blockade besteht in der Absperrung eines bestimmten Teiles des gegnerischen oder vom Gegner beseßten inneren Staatsgebietes vom Seeverkehr.

Die kriegerische Blockade bedarf zu ihrer Rechtswirksamkeit des Vorhandenseins eines Kriegszustandes; für die sog. friedliche Blockade (s. S. 243 f.) ist diese Vorausseßung nicht erforderlich.

Rechtsgültig ist die Blockade nur dann, wenn sie

1. effektiv ist, d. h. die Sperrung des Hafens durch Kriegsschiffe in der Weise erfolgt ist, daß der Seeverkehr von und nach der betreffenden Stelle tatsächlich unmöglich geworden ist;

2. den neutralen Mächten nach Beginn und Ausdehnung durch Notifikation (sog. Generalnotifikation) mitgeteilt ist 1).

Das Erfordernis der Effektivität der Blockade ist durch die Pariser Seerechtsdeklaration vom 16. April 1856 dahin festgestellt worden, daß les blocus, pour être obligatoires, doivent être effectifs, c'est-à-dire maintenus par une force suffisante pour interdire réellement l'accès du littoral de l'ennemi".

Die Blockade, welche nicht effektiv ist, wird als sog. papierne Blockade (blocus sur papier, blocus de cabinet, blocus anglais) bezeichnet 2). Diese Art der Blockade wurde im Anfange des 19. Jahrhunderts hauptsächlich von England für zulässig erklärt.

Die Vereinigten Staaten von Nordamerika sind der Seerechtsdeklaration nicht beigetreten, haben aber die Bestimmungen über die Effektivität der Blockade im Kriege mit Spanien 1898 tatsächlich anerkannt.

1) v. Liszt 321, Rivier 411.

2) Vergleiche Rivier 410f.; hier zahlreiche Angaben von derartigen Fällen.

Ob im einzelnen Falle eine Blockade als effektiv zu betrachten ist oder nicht, ist lediglich Tatfrage, die in der Praris vielfach zu Streitigkeiten geführt hat.

Mit der Notifikation tritt die Blockade in Wirksamkeit. Die Wirksamkeit besteht darin, daß der Verkehr aller Schiffe, gleichgültig ob sie dem Gegner oder neutralen Staaten angehören, mit dem blockierten Gebiete verboten ist.

Schiffe, welche den Versuch machen, die Blockade zu durchbrechen, verfallen, wenn sie hierbei aufgebracht werden, der blockierenden Macht als gute Prise. In der Regel wird dem einzelnen Schiffe, dem die Tatsache der Blockade unbekannt ist, bevor die Wegnahme erfolgt, durch Spezialnotifikation und Eintragung derselben in die Schiffspapiere das Bestehen der Blockade bekannt gemacht 1). Gelingt es einem Schiffe, die Blockade zu durchbrechen, so ist dies ein Beweis, daß die Blockade nicht effektiv gewesen ist. Damit entfällt das Recht des blockierenden Staates, das Schiff wegen dieses Blockadebruches mit Beschlag zu belegen, auch wenn es später auf der Weiter oder Rückreise in die Gewalt desselben gelangt; es ist unzulässig, eine spätere Wegnahme auf die Behauptung stüßen zu wollen, daß sich die ganze Reise des Schiffes vom Verlassen des Heimatshafens bis zur Rückkehr in denselben als eine „einheitliche Reise“ darstelle 2).

Ein Anspruch der neutralen Staaten auf amtlichen Verkehr mit ihren diplomatischen Agenten innerhalb eines blockierten Gebietes besteht im Seekriege ebensowenig, als im Landkriege im Falle einer Belagerung 3).

Die Blockade wird aufgehoben, wenn infolge eines nicht nur vorübergehenden Grundes (z. B. infolge von Naturereignissen) die blockierenden Kriegsschiffe zum Verlassen der Blockierungslinie (etwa gegenüber einem anrückenden Ersaßgeschwader oder aus anderen Gründen) sich veranlaßt sehen

1) Vergleiche v. Liszt 322, Rivier 412.

2) So auch v. Liszt 322, Gareis 257, Rivier 457.

3) Entgegengesezt v. Liszt 322 und die herrschende Meinung. Es ist je doch inkonsequent, diesen Fall anders zu behandeln als den der Belagerung im Landkriege; vergl. S. 91f., 271.

und damit die Blockade aufhört, effektiv zu sein. Der Beginn einer neuen Blockade bedarf in solchen Fällen zur Rechtswirksamkeit nochmaliger Notifikation 1).

C. Rechtsverhältnisse des Privateigentums.

Für das Privateigentum gilt im Seekriege heute noch, wie schon erwähnt, der mit der modernen Auffassung des Krieges in unlösbarem Widerspruch stehende Grundsaß, daß seindliches Privateigentum im Seekriege prinzipiell der Wegnahme durch den Gegner unterliegt. Feindliches Gut unter feindlicher Flagge ist als gute Prise der Beschlagnahme seitens der Kriegsschiffe und (soweit solche noch Anwendung finden sollten) Kaperschiffe preisgegeben; die Mannschaft des beschlagnahmten Schiffes wird kriegsgefangen.

Das Bestreben, das Seebeuterecht zu beseitigen, ist alt; der schon erwähnte Staatsvertrag zwischen Preußen und der nordamerikanischen Union von 1785 (j. S. 277) hatte dessen Anwendung ausdrücklich ausgeschlossen. Dieses Vorgehen ist aber das einzige in seiner Art geblieben, das zähe Festhalten Englands an dieser Einrichtung gegenüber allen Versuchen zur Abschaffung derselben hat einen Fortschritt auf diesem Gebiete bisher unmöglich gemacht. Auch neuerdings auf der Konferenz im Haag 1899, wo die Frage der Unverletzbarkeit des Privateigentums zur See von den Vereinigten Staaten von Nordamerika, die schon lange in dankenswerter Weise die Beseitigung dieses Restes alter Barbarei erstreben, aufs neue angeregt wurde, haben Frankreich und England zwar nicht direkt widersprochen, aber die Verhandlung der Sache auf eine spätere Konferenz vertagt, an deren Zustandekommen zur Zeit kaum zu denken ist.

Die Pariser Seerechtsdeklaration, an welcher England beteiligt ist, hat das Seebeuterecht gegenüber feindlichem Privateigentum insofern sanktioniert, als sie nur 1. feindliches Gut unter neutraler Flagge und 2. neutrales Gut unter feindlicher

1) England und die Vereinigten Staaten von Nordamerika erkennen dies jedoch nicht an; siehe Rivier 4122.

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