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jedenfalls als Bedingungen im privatrechtlichen Sinne nicht zu betrachten. Denn das Charakteristische der Bedingung liegt in der Eigenschaft, daß im Falle des Nichteintritts der aufschiebenden bezw. des Eintritts der auflösenden Bedingung das betreffende, unter der Bedingung abgeschlossene Rechtsgeschäft überhaupt nicht zu stande kommt. Diese Wirkung aber vermögen solche Vertragsbestimmungen nicht zu erzeugen, wie denn überhaupt die Übertragung von privatrechtlichen Gedanken auf das öffentliche Recht in den meisten Fällen nur zu Verwirrung und Mißverständnissen führt. Denn da, wie oben ausgeführt, die völkerrechtliche Existenz eines Staates nicht von der Anerkennung der übrigen Staaten, sondern nur von dem Vorhandensein der drei oben bezeichneten Grundmerkmale abhängig ist, so wäre die Hinzufügung einer solchen Bedingung für die Anerkennung gänzlich belanglos auch dann, wenn infolge der Nichterfüllung derselben ein Staat die Anerkennung verweigern würde. Der neuentstandene Staat würde darum seine Eigenschaft als völkerrechtliches Rechtssubjekt nicht verlieren. Solche Vertragsbestimmungen, an deren Erfüllung die Anerkennung geknüpft werden soll, sind vielmehr als Auflagen 1) zu betrachten, deren Erfüllung der anerkennende Staat beansprucht; die Nichterfüllung derselben seitens des neuen Staatswesens, dem die Verpflichtung auferlegt wird, hat auf die völkerrechtliche Stellung desselben als Staat zwar keinen Einfluß, wohl aber kann die Erfüllung derselben durch den Staat, dem gegenüber die Auflage übernommen ist, eventuell auch mit Gewalt, erzwungen werden, ohne daß sich dieser Zwang dann als eine Verlegung des Völkerrechts darstellt 2).

Es ist nun noch die Frage zu erörtern, ob man in den Fällen, wo im Momente des Unterganges des bisherigen Staates ein neuer an dessen Stelle tritt, von einer sogenannten

1) Mit Recht betont jedoch v. Liszt 407 auch hier, daß es völlig gleichgültig set, ob der privatrechtliche Begriff der Auflage zutreffe. Vergleiche auch Ga= rets 66; anders Ullmann 69, Rivier 93.

2) Die Einmischung unbeteiligter Staaten aber ist ein jeder rechtlichen Grundlage entbehrender Übergriff, so die Einmischung der nordamerikanischen Union in die Ausführung des Berliner Vertrages vom 13. Juli 1878.

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werden Politik und Billigkeit eine solche „Übernahme“ fordern (Beamtenbesoldungen, Staatsschulden, Staatsverträge u. a.m.), von einer Rechtsnotwendigkeit aber kann in keinem Falle die Rede sein.

III. Innerstaatliche Verfassungsänderungen. Aus den oben entwickelten Grundsäßen über den Staat als völkerrechtliches Rechtssubjekt folgt, daß Verfassungsänderungen, welcher Art sie auch sind, auf die Rechtspersönlichkeit des Staates keinen Einfluß haben, solange sie nicht eines der drei Grundmerkmale des Staates und damit diesen selbst vernichten 1). Die innere Organisation des einzelnen Staatswesens kommt für die Rechtspersönlichkeit desselben im Völkerrecht überhaupt nicht in Betracht; eine Änderung derselben kann somit auch auf die völkerrechtlichen Beziehungen irgend welche Wirkung nicht ausüben. Ebensowenig kann natürlich für die Regelung dieser internen Verhältnisse der Staaten das Erfordernis einer Anerkennung in Frage kommen, noch weniger kann anderseits der Einspruch irgend eines Staates hiergegen völkerrechtlich von Bedeutung sein; ein solcher wäre vielmehr nach dem Grundsaße der völkerrechtlichen Unabhängigkeit der Staaten völkerrechtswidrig. Verfassungsänderungen können sich staatsrechtlich in zwei Arten vollziehen: 1. durch Änderungen in der Organisation der Staatsgewalt, der Regierungsform; 2. durch Änderungen in dem Bestande des Staatsgebietes.

Ob die Änderungen in der Regierungsform auf einem staatsrechtlich vorgesehenen Wege oder durch Revolution 2c. erfolgen, ist für das Völkerrecht ebenfalls nicht von Belang, desgleichen nicht die Tatsache, daß für das die Staatsgewalt repräsentierende Staatsoberhaupt die Ausübung der Staatshoheitsrechte unmöglich wird. So verlor Frankreich 1870 weder durch

1) So auch Rivier 94. Vergleiche hierzu auch die Erklärung der Großmächte von 1831:,,Les traités ne perdent pas leur puissance, quelque soient les changements qui interviennent dans l'organisation intérieure des peuples".

Born, Völkerrecht.

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Staatssuccession nach Analogie des privatrechtlichen Vorganges sprechen kann. Es können hierbei natürlich nur diejenigen Fälle in Frage kommen, in denen ein Staatswesen an die Stelle eines andern tritt, das als solches untergeht; die Succession könnte niemals eine Singularsuccession, sondern immer nur eine Universalsuccession sein, ein Eintritt in die gesamten Rechte und Verpflichtungen des untergegangenen Staates. Aber auch Universalsuccession liegt in solchen Fällen nicht vor: der Begriff der Staatensuccession ist für das Völkerrecht unmöglich und juristisch unkonstruierbar; „es gibt im Völkerrecht keine Gesamtnachfolge von Todes wegen" (v. Liszt) 1). Auch hier führt die privatrechtliche Analogie lediglich zu Verwirrung.

Die Unmöglichkeit einer derartigen Konstruktion ergibt sich daraus, daß im Gegensaß zum Privatrecht die gesamten völkerrechtlichen Rechtsverhältnisse eines Staates mit dem Momente des Unterganges desselben erlöschen; eine Fortdauer der rechtlichen Beziehungen, wie sie das Privatrecht im Falle des Todes eines Rechtssubjektes anerkennt, gibt es im Völkerrecht nicht. Daraus folgt weiter, daß eine Succession in diese Rechtsverhältnisse, die mit dem Staate zugleich untergegangen sind, eben aus diesem Grunde nicht erfolgen kann. Demgemäß findet auch keine Succession statt, wenn der an die Stelle des untergegangenen Staatswesens tretende neue Staat die völkerrechtlichen Verhältnisse desselben übernimmt; auch eine solche „Übernahme“ ist juristisch undenkbar, weil die betreffenden Rechtsverhältnisse nicht mehr eristieren; eine Herstellung der völkerrechtlichen Beziehungen, in denen der untergegangene Staat zu andern Staaten gestanden hat, kann durch den neuen Staat nur in der Weise erfolgen, daß er die betreffenden Rechtsverhältnisse durch die erforderlichen Rechtsakte und Handlungen für sich neu schafft. In vielen Fällen

1) Entgegengesezt die herrschende Meinung, s. Rivier 96 ff., auch UIImann 70 ff.; auf dem im Texte vertretenen Standpunkte stehen Gareis 67 f., v. Liszt 121 ff., 2. Aufl. 173f. Leider enthält die zweite Auflage diesen richtigen Gedanken nicht mehr in der scharf präzisierten Form der ersten Auflage.

werden Politik und Billigkeit eine solche „Übernahme“ fordern (Beamtenbesoldungen, Staatsschulden, Staatsverträge u. a.m.), von einer Rechtsnotwendigkeit aber kann in keinem Falle die Rede sein.

III. Innerstaatliche Verfassungsänderungen. Aus den oben entwickelten Grundsäßen über den Staat als völkerrechtliches Rechtssubjekt folgt, daß Verfassungsänderungen, welcher Art sie auch sind, auf die Rechtspersönlichkeit des Staates keinen Einfluß haben, solange sie nicht eines der drei Grundmerkmale des Staates und damit diesen selbst vernichten1). Die innere Organisation des einzelnen Staatswesens kommt für die Rechtspersönlichkeit desselben im Völkerrecht überhaupt nicht in Betracht; eine Änderung derselben kann somit auch auf die völkerrechtlichen Beziehungen irgend welche Wirkung nicht ausüben. Ebensowenig kann natürlich für die Regelung dieser internen Verhältnisse der Staaten das Erfordernis einer Anerkennung in Frage kommen, noch weniger kann anderseits der Einspruch irgend eines Staates hiergegen völkerrechtlich von Bedeutung sein; ein solcher wäre vielmehr nach dem Grundsaße der völkerrechtlichen Unabhängigkeit der Staaten völkerrechtswidrig. Verfassungsänderungen können sich staatsrechtlich in zwei Arten vollziehen: 1. durch Änderungen in der Organisation der Staatsgewalt, der Regierungsform; 2. durch Änderungen in dem Bestande des Staatsgebietes.

Ob die Änderungen in der Regierungsform auf einem staatsrechtlich vorgesehenen Wege oder durch Revolution 2c. erfolgen, ist für das Völkerrecht ebenfalls nicht von Belang, desgleichen nicht die Tatsache, daß für das die Staatsgewalt repräsentierende Staatsoberhaupt die Ausübung der Staatshoheitsrechte unmöglich wird. So verlor Frankreich 1870 weder durch

1) So auch Rivier 94. Vergleiche hierzu auch die Erklärung der Großmächte von 1831:,,Les traités ne perdent pas leur puissance, quelque soient les changements qui interviennent dans l'organisation intérieure des peuples".

Born, Völkerrecht.

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