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Berichtigungen
der

Schlegel-Tieck'schen Shakespear-Uebersetzung.

VON PROFESSOR KARL HAGENA,

Conrector am Gymnasium zu Oldenburg.

(Teils aus dem 1847er Osterprogramm des Oldenburger Gymnasiums, teils aus dem Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen hier zusammengestellt, um von dem Herrn Verfasser in diesem Blatte fortgesetzt und von dem Herausgeber desselben nachträglich noch mit den von ycho Mommsen, von der Deutschen Shakespear-Gesellschaft und von Mich. Bernays besorgten Ausgaben der SchlegelTieck'schen Shakespea-Uebersetzung verglichen und stellenweise mit Anmerkungen und Zusätzen begleitet zu werden.)

König Johann,

I. Akt, 1. Scene. Schlegel-Tieck'sche Uebersetzung. 1. Auflage S. 7. Z. 2. v. u. 2. Aufl. S. 9. Z. 12. v. u. 3. Aufl. S. 10. Z. 2 v. 0.

,,Weit oder nah', gut Schieszen bringt Gewinn",

das heiszt doch: gut Schieszen bringt immer Gewinn, mag der Schieszende nahe oder weit gestanden haben. Das passt aber nicht in den Zusammenhang. Der fordert den Gedanken: der Gewinn bringende Schuss ist der gute Schuss, und darauf kömmt es im Lauf der Welt nicht an, wie man zu dem Gewinn gelangt ist. Das steht aber auch im Original und nicht, was Schlegel übersetzt hat; denn es lautet dort: „Near or far off, well won is still well shot";

und das heiszt wörtlich:

„Nah oder weit ab, gut gewonnen ist stets gut geschossen."

In Voss's Uebersetzung:

„Gut ist der Meisterschuss, fern oder nah"

ist der Sinn des Originals richtig wiedergegeben, wenn auch nicht so deutlich, wie im Urtext.

II. A. 1. Sc.

Schl.-T. 1. Aufl. S. 14. Z. 4. v. u. 2. Aufl. S. 18. Z. 6. v. o.

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„A'great Alcides

shows upon an ass;"

ist vortrefflich. Tieck's Aenderung in der Ausgabe von 1825:

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So augenfällig liegt's ihm auf dem Rücken,

„Wie auf dem Esel Herkul's Kraft erschiene."

ist trotz der dazu gegebenen Erklärung unverständlich und gewiss unrichtig; denn great Alcides ist nicht „Herkul's Kraft." Dass aber Payne Collier in seiner Ausgabe den Schreibfehler eines alten Abschreibers: Alcides' shoes für die Verbesserung Theobald's: Alcides' shows wieder in den Text gesetzt hat, was Delius (der doch sonst von der aberglaübischen Verehrung der alten Ausgaben, die er in seiner Macbeth-Ausgabe, in der er Tieck übertieckte, bewies, glücklich geheilt ist) in seiner Tieck'schen Shaksperekritik" billigt, will mir durchaus nicht gefallen. So sinnentstellend nämlich die „Schuhe" des Herkules auch an dieser Stelle sind, so waren sie doch sprüchwörtlich geworden und für die oberflächliche Lectüre und oberflächliches Abschreiben der Fehler dadurch verhüllt. Sie waren aber freilich sprüchwörtlich an Kinderfüszen," nicht auf des Esels Rücken."

Ich bemerke noch, dass die richtige Schlegel'sche Uebersetzung dieser Stelle in der zweiten und dritten Auflage der Schlegel-Tieck'schen Uebersetzung wieder hergestellt ist, mit der Verbesserung:

Wie Herkul's Löwenhaut auf einem Esel."

II. A. 1. Sc. Schl.-T. 1. Aufl. S. 15. Z. 10 v. u.

In den Versen:

Schilt mich Verlaümdrin nicht, Du raubst, die Deinen,

„Des unterdrückten Knaben Tron und Recht."

macht das ausgelassene „und" vor „die Deinen“ eine unangenehme und durchaus unnötige Härte. In der 2. Aufl. ist diese Stelle sehr schön verbessert und lautet nun: ,,Nein, ich verlaümde nicht. Du und die Deinen

Ihr risset Landeshoheit, Würden, Rechte
„Von dieses unterdrückten Knaben Haupt."

II. A. 1. Sc. Schl.-T. 1. Aufl. S. 16. Z. 1. v. o. 2. Aufl. S. 19. Z. 7. v. u. 3. Aufl. S. 21. Z. 10. v. 0.

Hier hat Schlegel den Text durch eine Conjectur geändert, die wenigstens besser ist, als irgend eine, die ich von englischen Commentatoren dieser schweren Stelle kenne. Tieck, der sonst, aus aberglaübischer Verehrung der durch eine Menge augenfälliger Fehler und Nachlässigkeiten entstellten ältesten Ausgaben, fast jede Conjectur der englischen Commentatoren mit bitterem Spotte verfolgt und Schlegel, wenn er ihnen folgt, verbessert und durch Anmerkungen meistert, lässt diese Conjectur stillschweigend passiren. Und doch hat schon Henley hier den Urtext zur vollen Befriedigung erklärt, also jede Verbesserung unnötig gemacht. Um diese Stelle zu verstehen, muss man zuvõrderst bedenken, dass die Leidenschaft auch den Verstand schärft, ja ihn bis zu den feinsten Spitzfindigkeiten schärfen kann. Shakespear hat diese Wirkung der Leidenschaft oft dargestellt, und so lässt er auch hier Constanze in ihrem Zorne zu den feinsten Spitzfindigkeiten sich versteigen. Nun sagt sie:

"

Er ward nicht blosz gestraft um ihre Sünde,

„Gott machte ihre Sünd' und sie zur Plage
„Für diesen Nachkömmling, gestraft für sie."

Nun fährt der Urtext fort:

„And with her plague, her sin; his injury
"Her injury, the beadle to her sin,
„All punish'd in the person of this child
„And all for her; a plague upon her!"

Das heiszt:

..gestraft für sie und durch ihre Plage (d. h. durch Plage, die von ihr ausgeht), ihre Sünde (Sünde, die sie selbst wieder an dem Kinde ausübt); sein Unrecht (das nämlich ihm widerfährt), ihr Unrecht (Unrecht, von ihr geübt), der Büttel für ihre Sünde (d. h. das Werkzeug zur Bestrafung ihrer Sünde in ihrem Nachkömmling), die alle gestraft wird in der Person dieses Kindes, und Alles um ihretwillen; Fluch über sie!"

Schlegel las nun:

„And with her plagues her son u. s. w.“ und übersetzte :

„Mit ihm plagt ihn ihr Sohn, ihr Unrecht ist

„Sein Unrecht, er der Büttel ihrer Sünden."

Ist nun die obige Erklärung genügend, so fällt die Conjectur von selbst weg. Ich mache aber noch aufmerksam darauf, dass es nicht abzusehen ist, wie Eleonorens Unrecht Johann's Unrecht genannt werden kann.

II. A. 2. Sc. Schl.-T. 1. Aufl. S. 20. Z. 5. v. u. 2. Aufl. S. 26. Z. 8. v. o. 3. Aufl. S. 28. Z. 8. v, o,

Hier stellt die neueste Auflage der Schlegel-Tieck'schen Uebersetzung die ursprüngliche Schlegel'sche Uebersetzung:

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Von uns'rer Furcht beherrscht, bis diese Furcht „Uns ein gewisser Herrscher lös't und bannt."

wieder her mit Beseitigung der Tieck'schen Aenderung:

„Selbst Kön'ge uns'rer Furcht, bis" u. s. w.

So würde ich denn über diese Stelle nichts weiter zu sagen haben, wenn nicht Payne Collier der alten Lesart der Folioausgaben, nach der auch Tieck übersetzte, den Vorzug gäbe und so zu fürchten wäre, dass bei einer nochmaligen Revision die ächte Schlegel'sche Uebersetzung dieser Stelle noch einmal verdrängt werde. Die alte Lesart lautet hier:

„Kings of our fear, until our fears resolv'd

„Be by some certain King purg'd and depos'd."

Hier zeigt das letzte Wort depos'd (abgesetzt), dass im Vorhergehenden die Furcht, die hier abgesetzt werden soll, als Herrscher, als König gedacht sein muss. Deswegen verbesserte Tyrwhitt den Text durch die glückliche Conjectur:

„King'd of our fears, until etc."

die lange Zeit bei den Engländern allgemeine Geltung behauptet hat.

Ganz vollständig giebt übrigens die treffliche Schlegel'sche Uebersetzung den Sinn der Stelle, wie sie Shakespear wahrscheinlich gedacht hat, nicht wieder; die Furcht wird hier nämlich unter einem doppelten Bilde vorgestellt, erstens eines Krankheitsstoffes, der aufgelöst (resolv'd) und fortgeschafft (purg'd), und zweitens eines Interimskönigs, der nach Entscheidung des Streites abgesetzt (depos'd) werden soll. Das Schlegel'sche lös't und bannt" giebt weder das eine, noch das andere Bild prācis wieder. Aber in zwei Versen wird schwerlich ein deutscher Uebersetzungskünstler den Shakespear'schen Gedanken wieder geben können, und eine Verteilung in drei Verse möchte eine Verwässerung herbei führen, die noch schlimmer wäre. II. A. 2. Sc. Schl.-T. 1. Aufl. S. 26. Z. 19. v. o. 2. Aufl. S. 33. Z. 1. v. o. 3. Aufl. S. 35. Z. 5. v. ú.

„Und warum schelt' ich auf den Eigennutz?

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„And why rail I on this commodity?

But for because he has not woo'd me yet:

„Not that I have the power to clutch my hand,

"

When his fair angels would salute my palm:" etc.

Wer genau auf den Zusammenhang dieser Stelle achtet, wird erkennen, dass der dritte unter den angeführten Versen in der Uebersetzung gar nicht zu den beiden vorhergehenden passt. Aber der Text der alten Ausgaben, den, so viel mir bekannt ist, auch die sämmtlichen englischen Herausgeber beibehalten haben, giebt auch einen ganz andern Sinn; denn:

„Not, that I have the power to clutch my hand"

heiszt: nicht dass ich im Stande bin, meine Hand zu schlieszen, d. h. der Versuchung zu widerstehen; nicht dass ich ein solcher Tugendheld wäre, der den Reichtum verschmähte. Voss hat die Stelle auch so verstanden und übersetzt: „Nicht dass die Faust ich ballte" u. s. w.

Schlegel las dagegen:

„Not that I have not power to clutch my hand,"

eine Conjectur, die nach dem eben Gesagten nicht blosz überflüssig ist.

III. A. 1. Sc. Schl.-T. 1. Aufl. S. 28. Z. 7. v. u. 2. Aufl. S. 36. Z. 14. v. o. 3. Aufl. S. 38. Z. 12. v. u.

„Denn Gram ist stolz, er beugt den Eigner tief."
„For grief is proud and makes his owner stoop."

Hier scheint mir der Gedankengang durch das „er beugt den Eigner tief (and makes his owner stoop)" so sehr gestört zu werden, dass es mir geratener scheint, die Verbesserung Hanmer's stout für stoop in unsere Uebersetzungen aufzunehmen, wobei es heiszen würde:

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„Denn Gram ist stolz und macht den Eigner stark."

Denn nach allem Anderen, was Constanze hier sagt, fühlt sie sich selbst durch ihren Gram gehoben. Sie will nicht mitgehn zu den Majestäten; die sollen sich versammeln um den Tron, auf dem sie und ihr Gram sitzen. Der Gedanke: „er

beugt den Eigner tief" tritt durchaus störend in diesen Verlauf, während das „und" (and makes his owner st.) beweist, dass der Gedanke hier nicht eine neue Wendung nimmt, sondern gleichmäszig fortlauft.

III. A. 1. Sc. Schl.-T. 1. Aufl. S. 32. in der Mitte. 2. Aufl. S. 41. 3. Aufl. S. 43. Z. 6. v. u.

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Die Richtigkeit von Tieck's Erklärung dieser Stelle ist von Alex. Dyce (Remarks on Collier's and Knight's editions of Shakespear) und von Delius (Tieck'sche Shakesperekritik) anerkannt. Ich mache noch darauf aufmerksam, dass a new bride nicht (wie Schlegel übersetzt) eine junge, sondern eine eben gewonnene Braut bedeutet, und dass das „trimmed" in,,and trimmed," was Theobald vorschlug, und was Schlegel durch „schmuck“ übersetzt, sich mit diesem new gar nicht durch and verbinden lässt. Hier ist es also wirklich zu bedauern, dass Tieck sein Besseres in der neuesten Auflage hat streichen müssen.

statt:

In der hierauf folgenden Zeile sollte es heiszen:
„Constanze spricht nach ihrem Glauben nicht"

„Constanze spricht nach Treu und Glauben nicht,"

denn faith bedeutet hier noch Glauben, religiöse Ansicht. Erst in dem Folgenden nimmt Shakespear faith in dem Sinne von Treu' und Glauben.

III. A. 1. Sc. Schl.-T. 1. Aufl. S. 34. Z. 16. v. u. 2. Aufl. S. 43. Z. 2. v. u. 3. Aufl. S. 46. Z. 6. v. u.

mit:

Wie Schlegel dazu gekommen ist, hier die richtige ursprüngliche Uebersetzung: „Empörung! ja Empörung!"

(rebellion! flat rebellion!)"

„Kein Zaudern! off'ne Fehde!"

zu vertauschen, ist mir ganz und gar unbegreiflich.

V. A. 6. Sc. Schl.-T. 1. Aufl. S. 70. Z. 9. v. o. 2. Aufl. S. 90. Z. 10. v. u. 3. Aufl. S. 96. Z. 6. v. u.

„O kränkend Wort
„Habt mich beschämt."

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Du und die blinde Nacht

Hier hat Schlegel die remembrance (Unkind remembrance) für Erinnerung des Bastards genommen. Hubert schilt aber vielmehr sein eignes Gedächtnis, dass es ihm einen solchen Streich gespielt, dass er nicht gleich an dem Tone der Stimme den verehrten Helden, den er sucht, erkannt hat.

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II. A. 2. (1.) Sc.

Richard II.

Schl.-T. 1. Aufl. S. 97. Z. 10. v. o. 2. Aufl. S. 124.

Z. 16. v. u. 3. Aufl. S. 133. Z. 3. v. 0.

„Der dich erschaffen, weisz, ich seh' dich schlimm;

Schlimm, da ich selbst mich seh', und auch dich sehend, schlimm."

„Now, he that made thee, knows I see thee ill,

Ill in myself to see, and in thee seeing ill.“

In dieser Uebersetzung von Schlegel, die Tieck unverändert gelassen hat, ist nicht etwa der sechsfüszige (zweite) Vers zu tadeln; denn Shakespear hat hier ebenfalls einen Sechsfüszer, wie die ja hin und wieder auch sonst bei ihm vorkommen, und Voss hat nach meiner Ueberzeugung sich unnötige Mühe gegeben, indem er an die Stelle derselben immer regelmäszige Fünffüszer setzte. Aber ist der Sinn aus Schlegel's Uebersetzung zu verstehen? Erst nach mehrmaligem Ueberlesen wird der Leser, der den Urtext nicht zur Hand hat, darauf kommen, dass das Schlimm" in dem zweiten Verse auf Gaunt und nicht auf Richard gehen soll. Voss übersetzt besser, aber mit Vermeidung des sechsfüszigen Jambus:

„Ich, krank an mir, und dich zu sehen krank.“

Ohne die unnötige Vermeidung der sechs Füsze könnte man noch richtiger, verständlicher und wortgetreuer übersetzen:

„Der dich erschaffen, weisz, ich seh' dich krank;

„Krank selber anzusehn, und dich zu sehen krank."

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In derselben Rede Gaunt's heiszt es im vorletzten Verse bei Schlegel und Tieck: „Doch um die Welt! da du dies Land nur hast" u. s. w.

Hier hat der Urtext, den, so viel ich weisz, kein englischer Commentator zu ändern sich gedrungen gefühlt hat:

But for thy world enjoying but this land."

Das heiszt:

„Doch da zu deiner Welt du dieses Land nur hast." und es bildet den Gegensatz zu dem eben vorhergehenden:" „Ei, Vetter, wärst du auch Regent der Welt."

Schlegel hat also ,,thy world" in the world" verändert und „,for the world" als Beteuerung genommen.

Zwei Zeilen weiter wäre „Gutsherr" besser als Landwirt; denn der Landwirt bewirtschaftet sein Land; der Gutsherr verpachtet es, wie Richard sein Reich. II. A. 2. Sc. Schl.-T. 1. Aufl. S. 98.

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Dein harter Sinn sei wie gekrümmtes Alter

Und mähe rasch die längst verwelkte Blume."

„And thy unkindness be like crooked age,

"

To crop at once a too long withered flower."

hat Schlegel in der 2. Aufl. nach Malone's Erklärung (crooked nicht gekrümmt, sondern mit dem crook, der Hippe bewaffnet, und age, die Zeit) berichtigt in: „Dein Zorn sei wie der Alte mit der Hippe" u. s. w.

II. A. 4. Sc. Schl.-T. 1. Aufl. S. 108. Z. 2. v. u. 2. Aufl. S. 140. Z. 3. v. u. 3. Aufl. S. 150. Z. 8. v. o.

"

Vom rühmlichen Regenten" u. s. w.

Dies rühmlich" klingt wie eine officielle Titulatur, etwa wie „verehrlich" u. dgl. Es würde dies aber eine falsche Uebersetzung des Wortes glorions" sein, denn das heiszt „ruhmvoll" und ist keine officielle Titulatur. Aber den Uebersetzer hat hier ein merkwürdig feines Gefühl geleitet. Für den guten alten York würde „ruhmvoll" eine sehr unpassende Bezeichnung sein. Nun hat aber Payne Collier nachgewiesen, dass für "glorious" die ächte Lesart der ersten Quartausgabe „grá

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