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Homer und Shakespear.

Der Dichter einer naiven und geistreichen Jugendwelt, so wie derjenige, der in den Zeitaltern künstlicher Cultur ihm am nächsten kommt, ist streng und spröde, wie die jungfräuliche Diana in ihren Wäldern; ohne alle Vertraulichkeit entflieht er dem Herzen, das ihn sucht, dem Verlangen, das ihn umfassen will. Die trockene Wahrheit, womit er den Gegenstand behandelt, erscheint nicht selten als Unempfindlichkeit. Das Object besitzt ihn gänzlich, sein Herz liegt nicht, wie ein schlechtes Metall, gleich unter der Oberfläche, sondern will, wie das Gold, in der Tiefe gesucht sein. Wie die Gottheit hinter dem Weltgebaüde, so steht er hinter seinem Werk; er ist das Werk, und das Werk ist er; man muss des erstern schon nicht wert oder nicht mächtig oder schon satt sein, um nach ihm nur zu fragen.

So zeigt sich z. B. Homer unter den Alten und Shakespear unter den Neueren: zwei höchst verschiedene, durch den unermesslichen Abstand der Zeitalter getrennte Naturen, aber gerade in diesem Charakterzuge völlig Eins. Als ich in einem sehr frühen Alter den letztern Dichter zuerst kennen lernte, empörte mich seine Kälte, seine Unempfindlichkeit, die ihm erlaubte, im höchsten Pathos zu scherzen, die herzzerschneidenden Auftritte im Hamlet, im König Lear, im Macbeth u. s. f. durch einen Narren zu stören, die ihn bald da festhielt, wo meine Empfindung forteilte, bald da kaltherzig fortriss, wo das Herz so gern still gestanden wäre. Durch die Bekanntschaft mit neuern Poeten verleitet, in dem Werke den Dichter zuerst aufzusuchen, seinem Herzen zu begegnen, mit ihm gemeinschaftlich über seinen Gegenstand zu reflectiren, kurz, das Object in dem Subject anzuschauen, war es mir unerträglich, dass der Poet sich hier gar nirgends fassen liesz und mir nirgends Rede stehen wollte. Mehrere Jahre hatte er schon meine ganze Verehrung und war mein Studium, ehe ich sein Individuum liebgewinnen lernte. Ich war noch nicht fähig, die Natur aus der ersten Hand zu verstehen. Nur ihr durch den Verstand reflectirtes und durch die Regel zurechtgelegtes Bild konnte ich ertragen, und dazu waren die sentimentalischen Dichter der Franzosen und auch der Deutschen, von den Jahren 1750 bis etwa 1780, gerade die rechten Subjecte. Uebrigens schäme ich mich dieses Kinderurteils nicht, da die bejahrte Kritik ein ähnliches fällte und naiv genug war, es in die Welt hineinzuschreiben.

(Über naive und sentimentalische Dichtung.)

Shakespeariana aus dem Briefwechsel zwischen Schiller und Göthe.

Schiller an Göthe: Es ist mir aufgefallen, dass die Charaktere des griechischen Trauerspiels mehr oder weniger idealische Masken und keine eigentlichen Individuen sind, wie ich sie in Shakespear und auch in Ihren Stücken finde. So ist z. B. Ulysses im Ajax und im Philoktet offenbar nur das Ideal der listigen, über ihre Mittel nie verlegenen, engherzigen Klugheit; so ist Kreon im Oedip und in der Antigone blos die kalte Königswürde. Man kommt mit solchen Charakteren in der Tragödie offenbar viel besser aus, sie exponiren sich geschwinder, und ihre Züge sind permanenter und fester. Die Wahrheit leidet dadurch nichts, weil sie bloszen logischen Wesen ebenso entgegengesetzt sind als bloszen Individuen. (Jena, am 4. April 1797).

Göthe an Schiller: Sie haben ganz recht, dass in den Gestalten der alten Dichtkunst, wie in der Bildhauerkunst, ein Abstractum erscheint, das seine Höhe nur durch das, was man Stil nennt, erreichen kann. Es giebt auch Abstracta durch Manier, wie bei den Franzosen. Auf dem Glück der Fabel beruht freilich alles; man ist wegen des Hauptaufwandes sicher; die meisten Leser und Zuschauer nehmen denn doch nichts weiter mit davon, und dem Dichter bleibt doch das ganze Verdienst einer lebendigen Ausführung, die desto stetiger sein kann, je besser die Fabel ist. Wir wollen auch deshalb künftig sorgfältiger als bisher das, was zu unternehmen ist, prüfen. (Weimar, am 5. April 1797.)

Schiller an Göthe: Ueber die letzthin berührte Materie von Behandlung der Charaktere freue ich mich, wenn wir wieder zusammen kommen, meine Begriffe mit Ihrer Hilfe noch recht ins Klare zu bringen. Die Sache ruht auf dem innersten Grunde der Kunst, und sicherlich können die Wahrnehmungen, welche man von den bildenden Künsten hernimmt, auch in der Poesie viel aufklären. Auch bei Shakespear ist es mir heute, wie ich den Julius Cæsar mit Schlegeln durchging, recht merkwürdig gewesen, wie er das gemeine Volk mit einer so ungemeinen Groszheit behandelt. Hier, bei der Darstellung des Volkscharakters, zwang ihn schon der Stoff, mehr ein poetisches Abstractum als Individuen im Auge zu haben, und darum finde ich ihn hier den Griechen aüszerst nah. Wenn man einen zu ängstlichen Begriff von Nachahmung des Wirklichen zu einer solchen Scene mitbringt, so muss einen die Masse und Menge mit ihrer Bedeutungslosigkeit nicht wenig embarrassiren; aber mit einem kühnen Griff nimmt Shakespear ein paar Figuren, ich möchte sagen, nur ein paar Stimmen aus der Masse heraus, lässt sie für das ganze Volk gelten, und sie gelten das wirklich; so glücklich hat er gewählt.

Es geschähe den Poeten und Künstlern schon dadurch ein groszer Dienst, wenn man nur erst ins Klare gebracht hätte, was die Kunst von der Wirklichkeit wegnehmen oder fallen lassen muss. Das Terrain würde lichter und reiner, das Kleine und Unbedeutende verschwände, und für das Grosze würde Platz. Schon in der Behandlung der Geschichte ist dieser Punkt von der gröszten Wichtigkeit, und ich weisz, wie viel der unbestimmte Begriff darüber mir schon zu schaffen gemacht hat. (Jena, am 7. April 1797.) - Was Sie den besten dramatischen Stoff nennen (wo nämlich die Exposition schon ein Teil der Entwicklung ist), das ist z. B. in den Zwillingen des Shakespear geleistet. Ein ähnliches Beispiel von der Tragödie ist mir nicht bekannt, obgleich der Oedipus rex sich diesem Ideal ganz erstaunlich nähert. Aber ich kann mir solche dramatische Stoffe recht wohl denken, wo die Exposition gleich auch Fortschritt der Handlung ist. Gleich der Macbeth gehört darunter; ich kann auch die Rauber nennen. (Jena, am 24. April 1797.) Ich bin mit dem Aristoteles sehr zufrieden, und nicht blos mit ihm, auch mit mir selbst; es begegnet einem nicht oft, dass man nach Lesung eines solchen nüchternen Kopfs und kalten Gesetzgebers den innern Frieden nicht verliert. Der Aristoteles ist ein wahrer Höllenrichter für alle, die entweder an der aüszern Form sklavisch hängen, oder die über alle Form sich hinwegsetzen. Jene muss er durch seine Liberalität und seinen Geist in beständige Widersprüche stürzen: denn es ist sichtbar, wie viel mehr ihm um das Wesen als um alle aüszere Form zu tun ist; und diesen muss die Strenge fürchterlich sein, womit er aus der Natur des Gedichts, und des Trauerspiels insbesondere, seine unverrückbare Form ableitet. Jetzt begreife ich erst den schlechten Zustand, in den er die französischen Ausleger und Poeten und Kritiker versetzt hat; auch haben sie sich immer vor ihm gefürchtet, wie die Jungen vor dem Stecken. Shakespear, so viel er gegen ihn wirklich sündigt, würde weit besser mit ihm ausgekommen sein, als die ganze französische Tragödie. (Jena, am 5. Mai 1797.) — Ich las in diesen Tagen die Shakespearischen Stücke, die den Krieg der zwei Rosen abhandeln, und bin nun nach Beendigung Richards III. mit einem wahren Staunen erfüllt. Es ist dieses letzte Stück eine der erhabensten Tragödien, die ich kenne, und ich wüsste in diesem Augenblick nicht, ob selbst ein Shakespearisches ihm den Rang streitig machen kann. Die groszen Schicksale, angesponnen in den vorhergehenden Stücken, sind darin auf eine wahrhaft grosze Weise geendigt, und nach der erhabensten Idee stellen sie sich neben einander. Dass der Stoff schon alles Weichliche, Schmelzende, Weinerliche ausschlieszt, kommt dieser hohen Wirkung sehr zu statten; alles ist energisch darin und grosz; nichts Gemeinmenschliches stört die rein aesthetische Rührung, und es ist gleichsam die reine Form des Tragischfurchtbaren, was man genieszt. Eine hohe Nemesis wandelt durch das Stück, in allen Gestalten; man kommt nicht aus dieser Empfindung heraus von Anfang bis zu Ende. Zu bewundern ist's, wie der Dichter dem unbehülflichen Stoffe immer die poetische Ausbeute abzugewinnen wusste, und wie geschickt er das repräsentirt, was sich nicht repräsentiren lässt, ich meine die KunstSymbole zu gebrauchen, wo die Natur nicht kann dargestellt werden. Kein Shakespearisches Stück hat mich so sehr an die griechische Tragödie erinnert. Der Mühe wäre es wahrhaftig wert, diese Suite von acht Stücken mit aller Besonnenheit, deren man

jezt fähig ist, für die Bühne zu behandeln. Eine Epoche könnte dadurch eingeleitet werden. Wir müssen darüber wirklich conferiren. (Jena, am 28. November 1797.)

Göthe an Schiller: Ich wünsche sehr, dass eine Bearbeitung der Shakespearischen Productionen Sie anlocken könnte. Da so viel schon vorgearbeitet ist, und man nur zu reinigen, wieder aufs neue genieszbar zu machen brauchte, so wäre es ein groszer Vorteil. Wenn Sie nur erst einmal durch die Bearbeitung des Wallensteins sich recht in Uebung gesetzt haben, so müsste jenes Unternehmen Ihnen nicht schwer fallen. (Weimar, am 29. November 1797.) - Dem alten englischen Theater bin ich um vieles näher. Malones Abhandlung über die wahrscheinliche Folge, in welcher Shakespear seine Stücke gedichtet, ein Trauer- und ein Lustspiel von Ben Johnson, zwei apokryphische Stücke von Shakespear und was dran hängt, haben mir manche gute Ein- und Aussichten gegeben. Wie Eschenburg sich hat entgehen lassen, seiner neuen Ausgabe diesen kritischen Wert zu geben, wäre nicht zu begreifen, wenn man nicht die Menschen begriffe. Mit sehr kurzen Einleitungen in jedes Stück, teils historischen. teils kritischen, wozu der Stoff schon in der letzten englischen Ausgabe von Malone bereit liegt, und die man mit einigen wenigen Aperçus hätte aufstutzen können, war der Sache ein groszer Dienst geleistet, und mit dieser Art Aufklärung hätte jedermann denken müssen, neue Stücke zu lesen. Wahrscheinlich wird er das, und vielleicht umständlicher als nötig ist, wie schon vormals geschehen, in einem eigenen Bande nachbringen. Aber wie viele Menschen suchen's und lesen's dahinten? (Jena, am 6. December 1799.)

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Schiller an Göthe: Den Wert, welchen Eschenburg seiner neuen Ausgabe Shakespears nicht gab, wird nun wohl Schlegel der seinigen zu geben nicht zögern. Dadurch käme gleich ein neues Leben in die Sache, und die Leser, die nur auf's Curiose gehen, fänden hier wieder so etwas wie bei dem Wolfischen Homer. (Weimar, am 7. December 1799.)

Göthe an Schiller: Es ist eine harte Zumutung, und wenn sie einem von Shakespear gemacht würde, dass man ein Stück, das morgen aufgeführt werden soll, heute soll vorlesen hören. (Weimar, am 3. Januar 1800.)

Schiller an Göthe: Gearbeitet ist heute nicht viel worden, weil ich zu spät aufstand; doch habe ich mich wieder mit dem Macbeth beschäftigt. (Am 15. Januar 1800.) Ich habe die Nacht nicht geschlafen und bin erst seit zwölf Uhr eingeschlafen. Der Kopf ist mir aber auch sehr wüst von der Schlaflosigkeit. Eine lebhafte Beschäftigung mit dem Macbeth, dem ich gestern noch spät nachdachte, hat mich erhitzt. (Zwischen dem 16. und 19. Januar 1800.) – Diesen Abend werde ich nach sechs Uhr mich einstellen, nachdem ich die zwei ersten Aufzüge des Macbeth aus dem Rohen gearbeitet. (Am 20. Januar 1800.) Seitdem ich das Original von Shakespear mir von der Frau von Stein habe geben lassen, finde ich, dass ich wirklich besser getan, mich gleich anfangs daran zu halten, so wenig ich auch das Englische verstehe, weil der Geist des Gedankens viel unmittelbarer wirkt, und ich oft unnötige Mühe hatte, durch das schwerfällige Medium meiner beiden Vorgänger mich zu dem wahren Sinn hindurch zu ringen. (Jena, am 2. Februar 1800.)

Göthe an Schiller: Mögen Sie sich heute Abend wohl in dieser starken Kälte zu mir verfügen, so wünsche ich, dass Sie um sechs Uhr kommen, damit wir den Macbeth hinauslesen. (Weimar, am 11. Februar 1800.) - Ich wünschte, dass Sie Meyers Wallenstein auf der jetzigen Stufe der Ausführung sähen; indem man so ein Bild werden sieht, weisz man zuletzt eher was es ist. Auch wünschte ich den Schluss Ihres Macbeths zu hören und durch freundschaftliche Mitteilung an Lebenslust zu gewinnen. (Weimar, am 14. Februar 1800.) Hier der Schluss von Macbeth, worin ich nur wenig angestrichen habe. (Am 3. April 1800). Wenn Sie die Musik von Macbeth noch bei Sich haben, so bringen Sie doch solche Nachmittag mit, sowie auch das Pförtnerlied. (Weimar, am 10. April 1800.)

Schiller an Göthe: Von Macbeth sind unsere Proben gewesen, und ich hoffe alles Gute davon; doch wird die erste Vorstellung erst am Mittwoch über acht Tage stattfinden können. Ich habe Obitzen meinen Macbeth angeboten, aber noch nichts von ihm gehört. (Weimar, am 5. Mai 1800). Die Proben von Macbeth zerschneiden mir die Zeit gewaltig. Wie man mir sagt, so kommen Sie erst auf den Mittwoch zurück.

Wir können Sie also gleich mit dem Macbeth empfangen, denn dieser ist bis dahin verlegt worden. (Weimar, am 9. Mai 1800).

Göthe an Schiller: Ich lege noch vorjährige Bemerkungen über den Macbeth bei, die ich zum Teil noch erst werde commentiren müssen. Heben Sie solche bei sich auf oder geben sie Beckern. (Jena, am 30. September 1800).

Schiller an Göthe: Ihre Bemerkungen über Macbeth wollen wir so gut als möglich zu nutzen suchen. Da ohnehin eine andere Besetzung des Stücks notwendig wird, weil Vohs nicht den Macbeth spielen kann und Spangler abgegangen ist, so könnte man über die Besetzung der Hexen vielleicht noch etwas anderes beschlieszen. (Weimar, 1. October 1800.) - Ich höre, dass Sie heute eine Leseprobe von Julius Caesar haben, und wünsche guten Success. (Aus dem August oder September 1803).

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Göthe an Schiller: Um sechs Uhr ist Hauptprobe von Julius Caesar. (Weimar, am 30. September 1803).

Schiller an Göthe: Diesen Vormittag gehe ich nach Jena; ich nehme einen groszen Eindruck mit, und über acht Tage bei der zweiten Vorstellung werde ich Ihnen etwas darüber sagen können. Es ist keine Frage, dass der Julius Caesar alle Eigenschaften hat, um ein Pfeiler des Theaters zu werden: Interesse der Handlung, Abwechslung und Reichtum, Gewalt der Leidenschaft und sinnliches Leben vis à vis des Publicums- und der Kunst gegenüber hat er alles, was man wünscht und braucht. Alle Mühe, die man also noch daran wendet, ist ein reiner Gewinn, und die wachsende Vollkommenheit bei der Vorstellung des Stücks muss zugleich die Fortschritte unsers Theaters zu bezeichnen dienen. (Weimar, am 2. October 1803).

Göthe an Schiller: Ich habe mich sehr über das gestern Geleistete gefreut, am meisten durch Ihre Teilnahme. Bei der nächsten Vorstellung schon hoffe ich die Erscheinung zu steigern; es ist ein groszer Schritt, den wir gleich zu Anfang des Winters tun. (Weimar, am 2. October 1803). - Hier der Kaufmann von Venedig, mit Bitte um gefällige Uebernahme der Revision und der Proben. Ueber die Austeilung denken Sie beim Durchlesen nochmals nach, und wir sprechen darüber. (Am 29. October 1803).

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Göthe an Schiller: Mit den besten Grüszen hierbei Verschiedenes: . . . einige Rollen, die noch im Macbeth zu besetzen sind, weshalb ich auch die Austeilung überschicke. (Weimar, am 8. Februar 1804.) I. Act. 1) Mit Macbeth und Banco kommen Einige, damit letzterer fragen könne: Wie weit ist's noch nach Forris? - II. Act. 2) Die Glocke ruft. Darf nicht geklingelt werden, man hört vielmehr einen Glockenschlag. 3) Der Alte sollte sich setzen, oder fortgehen. Mit einer kleinen Veränderung schlösse Macduff den Act. III. Act. 4) Der Bursche, der Macbeth bedient, wäre besser anzuziehen und einigermaszen als Edelknabe herauszuputzen. 5) Eilensteins Mantel ist zu enge. Es wäre noch eine Bahn einzusetzen. 6) Bei Bancos Mord sollte man ganz Nacht machen. - 7) Die Früchte auf der Tafel sind mehr ins Rote zu malen. 8) Bancos Geist sieht mir in dem Wamms zu prosaisch aus. Doch weisz ich nicht bestimmt anzugeben, wie ich ihn anders wünsche. IV. Act. 9) Die Hexen sollten unter den Schleiern Drahtgestelle haben, dass die Köpfe nicht zu glatt erscheinen. Vielleicht gäbe man ihnen Kränze, die einigermaszen putzten, zur Nachahmung der Sibyllen. 10) Da nach der Hexenscene bei uns der Horizont fällt, so müsste Macbeth nicht sagen: Komm herein da drauszen u. s. w.; denn dies supponirt die Scene in der Höhle. V. Act. 11) Lady wäscht und reibt eine Hand um die andere. 12) Die Schilder wären aufzumalen. 13) Macbeth müsste sich doch, wenigstens zum Teil, auf dem Theater rüsten; sonst hat er zu viel zu sprechen, was keinen sinnlichen Bezug hat. - - 14) Er sollte nicht im Hermelinmantel fechten. (Weimar, am 16. April 1804).

Vorlaufige Anmerkung: Nach Aushebung und Mitteilung von Schillers und Göthes sämmtlicheu selbständigen oder gelegentlichen prosaischen und poetischen Aüszerungen über Shakespear wird diese Zeitschrift eine kritische Bilanz zu ziehen und darin nachzuweisen versuchen, wie weit Schiller und Göthe in ihren Auffassungen des Charakters und der Charaktere Shakespears, sei es übereinstimmend oder von einander abweichend, im Recht oder Unrecht waren. Der Herausgeber.

Pole-axe oder Polacks,

Ob Streitaxt oder Polacken.

Ein Excurs über Hamlet A. I. Sc. 1. R. 44. Z. 4 u. 5.

Die bezeichnete Stelle lautet nach der Cambridge oder sogenannten Globe Edition von Clark und Wright mit ihren verschiedenen Lesarten folgendermaszen:

So frown'd he once, when, in an angry parle,

He smote the sledded Polacks on the ice.

smote] smot Q2 Q3 F, F2 F3.

Leo conj.

-

sledded] Ff. sleaded (Q) Qq. - sturdy Polacks] Malone. pollax (Q1) Q2 Q3 Q4. Pollax Q F, F2 Q6. Polax

F. Pole-axe F, Pole-axe Rowe. Polack Pope.

Zu keiner von diesen Lesarten habe ich in meiner eigenen Hamlet-Ausgabe *) mich entschlieszen können, vielmehr lese und übersetze ich wie folgt:

So frown'd he once, when, in an angry parle, So blickt' er damals, als in zorn'gem Zwiesprach

He smote his leaded pole-axe on the ice.

Er seine wucht'ge Streitaxt schlug aufs Eis.

Die früheren Uebersetzer halten sich fast alle an die Lesart mit ,,Polack" oder ,,Polacks" d. i. mit einem oder mehren Polacken. Wieland: So faltete er die Augenbraunen, als er in grimmigem Zweykampf den Prinzen von Pohlen aufs Eis schleuderte. Eschenburg: So böse sah er aus, als er einst im grimmigen Zweikampf den Polacken mit seinem Schlitten aufs Eis schleuderte. Schröder, wie Wieland, nur dass er sagt,,im grimmigen" statt,,in grimmigem." Schlegel: So draüt' er einst, als er in hartem Zweisprach | Aufs Eis warf den beschlitteten Polacken. Schütz übergeht die Stelle. Voss: So droht' er, als, da zornig Sprach' er hielt, | Ihm plumpt' aufs Eis der schlittende Polack. Benda: So runzelt' er die Stirn, als er einstmals | Im zornigen Gespräch, vom Schlitten hin | Aufs Eis den Pohlen schleudert'. Döring:... So runzelt' Er einst die Stirn, als er, im zornigen | Gespräch, von seinem Schlitten warf den Pohlen | Aufs Eis. Mannhart: So stirnt' er einst, als er im Zorn des Worts Den beschlitteten Polacken auf das Eis hinschmiss. Jencken: So finster | sah er, wie im Wortgewechsel | Er einst dem schlittenfahrenden Polacken | Hart auf dem Eis zusetzte. - Simrock: So blickt' er einst, als er im harten Treffen | Aufs Eis warf die beschlitteten Polacken. - Samson von Himmelstiern: So sah er aus, als er im Zorn der Rede | Aufs Eis den Winterstarren Polen schlug. Bärmann: So runzelt' er die Stirn bei zorn'ger Rede, | Als er den Polen hinstürzt auf das Eis. Ortlepp: So zornig sah er aus, als er im Kampf | Den Polen von dem Schlitten niederwarf. Rapp: So wild schaut' er, da er in zorn'ger Zwiesprach | Die Schlittenflinken Polen warf aufs Eis. Ruhe (in seiner Uebersetzung des Textes von 1603): So draüt' er einst, als er im harten Zwiesprach | Aufs Eis die gleitende Streitaxt schleuderte. Hagen: So zornig sah er aus, als er in grimmer | Begegnung einst den Polen sammt dem Schlitten | Aufs Eis hinschleuderte. Köhler: So draüt' er einst, als er in zorn'ger Zwiesprach Aufs Eis warf die beschlitteten Polacken. Lobedanz: So runzelt' er die Stirn im blut'gen Strausz, | Als er die Polen auf dem Eise schlug. - Plehwe: So drohte er, als in dem heft'gen Streit | Er einst die schlittenfahrenden Polacken | Aufs Eis zurückwarf. Seeger: So trotzig schaut' er drein, wie damals, wo | Er die Polacken, müd der bittern Reden, | Vom Schlitten hat aufs Eis geschmissen. - Tieck endlich, dessen Beispiele oben Ruhe gefolgt war, änderte in der von ihm ergänzten und erlaüterten deutschen Shakespear-Ausgabe von 1826-1833 die Schlegel'sche Uebersetzung dieser Stelle folgendermaszen ab: So draüt' er einst, als er im harten Zwiesprach Aufs Eis die gleitende Streitaxt geschleudert. Seine Rechtfertigung dieser

*) Shakespears Hamlet, englisch und deutsch. Neu übersetzt und erlaütert von Max Moltke. In 8 Lieferungen zu 10 Ngr. Leipzig: Albert Fritsch. Obiger Excurs ist eine Probe daraus.

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