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die Extrapost eingeführt ist, erhielten wir einen alten Spießbürger zum Postillon, der im Schritt' ausfuhr und in Schritte blieb. Da ich ihn, nach langem vergeblichen Zureden, endlich in harten Ausdrücken schalt, wandte er sich um und sagte in seinem verteufelten märkischen halb hoch- halb plattdeutschen Dialect zu mir: »Herre! wenn häbbe wie denn mit enanger Brüderschaft gesoapen?« Was, rief ich, wie erzürnt, wir hätten nicht Brüderschaft gesoffen? - »Ne Herre!« Halt still Kerl - »Ne watt?« - Halt den Augenblick still, sag' ich Dir, oder der Teufel - und so fiel ich ihm in beide Arme. Denn die Kerls haben hier zu Lande die abscheulige Methode, alle vier Pferde in eine Reihe zu spannen und sich selbst zum Bedienten auf den Bock zu sehen. So mußt er halten, ich sprang zum Wagen hinaus, riß mein Flaschenfutter hervor, goß Deinen lieben silbernen Reisebecher voll alten Malaga, reichte ihn dem Kerl hin, mit den Worten: »Da sauf, haben wir noch nicht Brüderschaft miteinander getrunken, so thun wirs lieber gleich.« Der Kerl wußte nicht woran er war, ob er ansehen sollte, oder nicht. Wie er aber nur erst gekostet hatte, that er zum zweiten und dritten Male Bescheid. Und nun ging es über Stock und Block, die Kreuz und die Queer was die Pferde laufen konnten. Der Kerl peitschte die Mähren nur immer übers Kreuz an, daß Johann kaum seiner Augen bewahren konnte, und drehte sich dann um und entschuldigte sich, auf dem Size hin und her schwankend, daß er so ein Grobian gewesen sen; das hätt er nicht gedacht, daß er solche Herren zu fahren hatte! Wir können von Glück sagen, daß der Kerl den Wagen hernach nicht zertrümmerte *).

Es ist in der That oft schwer bei der dreihä rigen Grobheit dieser Menschen in guter Fassung zu bleiben. Der Einzige von Halle her, der gute Pferde hatte, erwiederte auf mein Zureden: »fahr doch zu Schwager, Du hast ja gute Pferde:<« »Ja daromm mott ick see och schonen.<< Doch genug von dem plumpen Geschlechte.

Beim Thor ging es uns hier besser als wit dachten. Erst wurden wir vom Offizier höflich be:

*) In Hamburg erzählte man mir eine ähnliche sehr cha rakteristische Scene, die der eben so kluge als lebhafte Asmus mit einem Lübschen Postillon hatte. An einem sehr heißen Sommertage saß er allein auf dem ofnen Postwagen, als neben dem Wagen ein Landmädchen in tiefem Sande eine schwere Last fortschleppte. Der mitleidige Asmus rief dem Postillon zu: »Schwager, nimm das Mädchen mit auf den Wagen « Dieser er wiederte trocken ohne sich umzusehen: Dat do eck niche und als er so drauf bestand, fuhr dem braven Asmus das Blut zu Kopfe, und er rief im gebieterischen Zone: >>Du sollst gleich halten und das Mädchen mit nehmen.«

fragt: wie wir hießen, was wir bedienten *), twoher wir kämen, ob wir uns in Berlin aushalten würden, und wo wir zu logiren gedächten?

Drauf rief uns der Thorschreiber an: wir müßten nach dem Packhofe fahren. Die drei Worte herausgebrüllt, drehte er sich kurz um und ging ins Haus zurück. Dann kam der Visitator an den Wagen und ließ uns aus der rechten Defnung seines schiefen Mauls und aus dem zusam mengedrückten Winkel seines linken Auges halb heimlich vernehmen: wir könnten uns auch wohl am Thore visitiren lassen, da wir keine Plomben an den Coffren hätten. Desto besser, rief ich, und gab ihm die Coffreschlüssel in die Hand. Er schloß die Coffre auf, und durchstöhrte die Sachen mit noch ziemlich guter Ordnung; dann schloß er wie. der zu und reichte mir die Schlüssel mit den Wor ten in den Wagen: »Jm Wagen haben die Herren ja wohl nichts?« Wir ließen ihn auch dore

Drauf drehte sich der Postillon um, kehrte zugleich den Peitschstock um, und das dide Ende seinem Gegner borhaltend, sagte er: wie meent dat de Herr?« Claudius faßte sich gleich und sagte gelassen: ich will Dir ein gut Trinkgeld geben, wenn Du das Mädchen mit nimmst. »J worum dat nich,« erwiederte der andre, >>von Harten geern!«

*) Diese Frage that ein preuß. Unterofficier auch einst an die junge Herzoginn von C**, da sie sich schon genannt hatte; sie antwortete drauf: »ich lasse mich bedienen.«

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nachsehen. Mir sind zwar alle Visitationen sehr zuwider, doch fand ich iminer noch an den Preußischen Accifeofficianten, denen dies Geschäft aufgetragen ist, von allen in Deutschland die bescheidensten. Wenn man dagegen die ängstlich strengen unanständigen Visitationen im Oestreichschen nimmt! Hier war dieses das ganze scharfe Examen, wovon man auss wärtig so viel Geschrei macht *).

Nun gings die schönen Linden lang, über den auffallenden Opernplak, beim alten ehrwürdigen Schloß vorbei und so in die nächste Straße hins ein, nach dem besten Gasthof von Berlin: die Stadt Paris (à la ville de Paris). Es war uns fatal, nachdem wir so schöne breite Straßen und freie Pläke gesehen hatten, in einer schiefen Die innere Eleganz und Ordnung des Hauses und die vortrefliche Bedienung ließen uns das indeß bald vergessen. Wilhelm ließ sich Thee geben und trinkt ihn eben in Zeitungen vertieft. Du weißt, Die neueste Beitung! ist immer sein erstes Wort, wenn er aussteigt. Ich ließ mir Dint' und Feder geben. - Mensch! Dein Andenken martert mich! ich wollt ich könnte Deiner los werden. Meine Seele hängt so fest an Dir! O daß dein lester Händedruk enden mußte! Es war ein fata. les Bild unsers Lebens, wie wir uns so noch in stummer Rührung fest hielten, und der Kerl die Pferde antrieb, so unsre Hände auseinander riß! Schrecklich!

dunkeln Straße den besten Gasthof zu finden.

*) Im Jahr 1794 ist eine neue Acciseverordnung ergangen, welche den Reisenden die Visitation um vieles noch er leichtert. Jeder Reisende der nicht als Kaufmann von einer Messe kommt und nur Abends vor zehn Uhr im Thor anlangt kann sich, seine Sachen mögen an der Gränze plombirt worden seyn oder nicht, gleich am Thore visitiren lassen. Hohe Standespersonen, als Prinzen, Minister, Generale u. d. gl. können gar sehr leicht davon kommen, indem es ihnen ist freisteht den Visitator mit nach dem Hause, wo sie abtreten, zu neh. men. Schade daß nicht lieber die bloße Grenzvisitation statt aller andern eingeführt worden ist, wie es in Eng land längst undi est auch in Frankreich Gebrauch ist. A. d. §.

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Zweiter Brief.

den 3ten 1785

Nikolai's Beschreibung von Berlin ist doch wirke

Wär' er

lich ein trefliches Buch in seiner Art. nur nicht so parthenisch und pralerisch in seinen Beschreibungen! So aber muß man sich erst seis nen Maßstab für Größe und Schönheit merken, um nicht überall häßlich getäuscht zu werden; um nicht statt eines hochangekündigten Pallastes ein ziemlich gewöhnliches Wohnhaus, statt einer vere

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